Ungeplant schwanger

Mit 21 Jahren wurde ich ungeplant mit unserem ersten Kind schwanger. Ich befand mich damals im ersten Studienjahr zur Hebamme. Meine Schwangerschaft habe ich (Trommelwirbel) erst in der 25.Schwangerschaftswoche bemerkt. Du fragst dich bestimmt, wie das geht so als Hebammenstudentin?! Aber ja, aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass auch das möglich ist…hihihi.
Im Nachhinein ist mir klar, dass das so sein musste, denn ansonsten wäre der Druck von Aussen zu gross gewesen und wir hätten uns wohl gegen das Kind entschieden. Ich hatte also die Hälfte meiner Schwangerschaft «verpasst» und in den verbleibenden 15 Wochen musste ich mich darum kümmern von zu Hause auszuziehen, Babysachen anzuschaffen und mein erstes Studienjahr abzuschliessen. Also nicht sehr viel Zeit für Geburtsvorbereitung, wie du sehen kannst. Mein grosses Glück war, dass ich, noch bevor ich wusste, dass ich schwanger war, das Buch «Spiritual Midwifery» von Ina May Gaskin gefunden hatte. Dieses Buch hat meine Sichtweise auf Schwangerschaft und Geburt komplett verändert. Dieses Buch war voll von Geburtsberichten von Frauen, die über wunderschöne, genussvolle, schmerzfreie Hausgeburten berichteten. Ich kannte natürlich aus meiner Studienzeit nur das andere…lange, schmerzvolle Geburten mit zig Interventionen, Zeitplan, Technik. Aber tief in mir war da so ein Gefühl, dass Geburt etwas Freudvolles, Festliches und Genussvolles sein sollte. Ich versuchte also mich so vorzubereiten, wie die Frauen aus diesem Buch. Viel Bewegung an der frischen Luft und in der Natur, positive Geburtsberichte lesen, mich gesund ernähren und mit Meditation meinen Geist zu fokussieren.

In der 28.SSW suchte ich mir eine Hebamme, die Hausgeburten begleitete. Obwohl wir in einer kleinen 3.5-Zimmer Wohnung im obersten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses wohnten, konnten mein Mann und ich uns nichts anderes als eine Hausgeburt vorstellen. Ich hatte das Gefühl, dass mir diese vertraute Atmosphäre maximale Sicherheit bieten würde, damit ich die Geburt einfach geschehen lassen konnte. Und so näherte sich der ET in grossen Schritten.

Die letzten drei Wochen vor ET

Drei Wochen vor dem Termin schrieb ich die Abschlussprüfungen von meinem ersten Studienjahr. Geschafft…jetzt konnte ich mich auf die Geburt einlassen.
Ich hatte ab der 37.SSW immer wieder Senkwehen, die ich nur bemerkte, da mein Bauch über einen längeren Zeitraum regelmässig hart wurde. Natürlich fragte ich mich jedes Mal, ob es jetzt losgehen wird. Aber dem war natürlich nicht so. Ich ging sogar 12 Tage über ET und war reif wie eine Tomate. Wir versuchten es mit Akkupunktur und Homöopathie, aber mein Krümel wollte nicht aus seiner Luxus-1-Zimmer-Wohnung ausziehen. Also schrieb ich ihm die Kündigung und vereinbarte mit meiner Hebamme den Rhizinuscocktail am Abend bei ET+11 zu trinken.

Geburt

Mein Mann und ich besuchten an diesem Abend noch einen äusserst inspirierenden Vortrag und als wir gegen 23h zu Hause waren, trank ich den Cocktail. Wir gingen zu Bett und ich war total gespannt auf die kommende Nacht. Ich schlief ein, wurde jedoch bereits gegen 00h30 von einem Ziehen im Bauch geweckt. Ich freute mich und blieb noch ein wenig im Bett liegen. So gegen 01h30 wars mir aber zu ungemütlich und ich ging ins Wohnzimmer, entzündete die Kerzen und machte leise Musik an. Ich genoss das Alleinsein, merkte aber, wie mein Kopf alles zu kontrollieren versuchte, und ich schlechte Laune bekam. Da waren Gedanke wie: »Oh Gott, wie lange dauert das denn noch?»…»Kann ich das nicht beschleunigen?» «Wieso hats da zwischen den Wehen so lange Pausen?» sprich, ich war total ungeduldig und noch null fokussiert. Ich tigerte umher, war viel auf dem Ball und hatte vor allem mit meinem Kopf zu tun, denn die Wehen waren total angenehm.
Kurz vor 03h30 weckte ich meinen Mann und sagte ihm, dass er jetzt unsere Hebamme anrufen kann, dass sie kommen soll. Er war ein wenig überfordert und meinte, dass er das nicht kann, denn er weiss ja gar nicht was sagen, er wisse ja nicht wie weit der Mumu schon offen ist etc. Ich sagte nur, dass er das nicht zu wissen braucht, er soll einfach anrufen und sagen, dass sie kommen soll.
Eine Stunde danach war sie dann bei uns. Sie befüllten den Pool und ich stieg hinein. Oh wie geil, dachte ich, was für eine Wohltat, dieses warme Wasser. Zuvor an Land hatte ich nämlich das Problem, dass ich gerne nackt gewesen wäre, es mir dazu aber zu kühl war. Somit war es jetzt perfekt und ich konnte endlich abtauchen und mich dem Geburtsflow übergeben. Die Intensität der Wehen nahm zu und ich vertönte jede einzelne. Die Vibration dieser tiefen Töne half mir die Energie der Wehen zu kanalisieren und hielt meinen Geist fokussiert. Ich verlor komplett das Zeitgefühl und war total geflasht, dass ich diesen Prozess geniessen konnte. Mein Mann kniete am Poolrand und ich hielt seine Hände übers Kreuz fest. Während den Wehen konnte ich dann seine Hände drücken und dadurch blieb der Rest meines Körpers locker. Wir waren ein super Team. Nach der Geburt erzählte mir dann unsere Hebamme, dass mein Mann eigentlich unbedingt auf Klo hätte gehen müssen, ich ihn aber einfach nicht gelassen hab. Das habe ich aber während der Geburt nicht mitgekriegt.
Irgendwann überkam mich dann diese Urgewalt von Pressdrang und ich wusste, jetzt hab ich bald mein Baby in den Armen. Da gab es einen Moment in dem ich zögerte, aus dem Flow kam, was meine Hebamme sofort bemerkte. Sie fragte mich, was los sei. Ich sagte, dass ich Angst hätte zu reissen (ich habe nämlich während meiner Zeit in der Klinik eine Frau im Wochenbett betreut, die einen Dammriss 3.Grades hatte und davor fürchtete ich mich total). Meine Hebamme sagte nur, dass mein Körper fürs Gebären gemacht sei und ich einfach loslassen solle.

Ein Schalter legt sich um…

Wuumm…ein Schalter legte sich um in meinen Kopf, ich spürte dieses krass tiefe Urvertrauen und fühlte mich mit allen Frauen dieser Welt sowie mit all meinen Ahninnen verbunden. In diesem Moment stand für mich fest: Geburt ist heilig, wunderschön und total genussvoll. Unsere Schöpfung ist perfekt, wieso also bitteschön sollte die Geburt, welche ja das Überleben unserer Spezies sichert, etwas Schmerzhaftes und Qualvolles sein?!? Ich gab mich komplett hin und mit jeder Wehe rutschte unser Baby tiefer. Ich tönte ganz tief, kam mir vor wie ein brünstiger Elch, aber es war genau das was aus mir rauskam und es war mir scheissegal, ob die anderen Bewohner unseres Hauses mich hören konnten. Ich wusste, dieses Tönen half meiner Yoni gaaanz weit zu werden. Und dann machte es PLOPP…die Fruchtblase platze und der Kopf von unserem Baby wurde geboren. Ich fühlt mit meiner Hand…wooow…unbeschreiblich…da kam ein kleiner Mensch aus mir heraus. Die nächste Wehe kam und der Körper flutschte hinterher ins Wasser. Es war 08h29 Uhr. Meine Hebamme war nur da und beobachtete uns. Ich durfte unser Baby selbst in Empfang nehmen, hielt es noch ein wenig unter Wasser und nahm es dann hoch zu mir. Wir bekamen ein warmes Tuch (das hatte einige Brandlöcher aus dem Backofen) und nur knapp 2min später kam die Plazenta. Wir bestaunten dieses kleine Wunder und waren ganz fasziniert. Nach einiger Zeit fragte unsere Hebamme, ob wir einmal nachsehen wollen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Wir hatten in der Schwangerschaft ganz klar das Gefühl, dass es ein Junge wird…davon war ich auch jetzt noch überzeugt. Also schauten wir nach und …tadaaa…es war ein Mädchen! Unsere Maël Soraya wurde am 01.09.2011 um 08h29 Uhr nach nur 7h Geburtsarbeit mit 3510gr 50cm und 38cm! Kopfumfang geboren. Später meinte dann meine Hebamme, dass jedes weitere Kind wohl einfach aus mir herausfallen wird, da die Kleine so einen grossen Kopf hatte und der Weg jetzt gut vorgebahnt sei.
Nach einiger Zeit wurde es mir zu kühl im Pool und wir zügelten ins Bett. Wir ruhten uns aus und unsere Hebamme holte beim Bäcker Frühstück. Mir wurde dann eine riesige Tasse Kaffee ans Bett gebracht und ich ass dazu Croissants mit Marmelade…was für ein Luxus…ich konnte das kaum fassen. Da lag dieses kleine, frisch geschlüpfte Wesen neben mir und ich genoss meinen Kaffee in meiner Lieblingstasse in meinem Pyjama in unserem Bett…alles vertraut, alles entspannt…magisch! Mein Mann und die Kleine schliefen dann ein nachdem unsere Hebamme gegangen war. Ich war aber noch so high von diesen Geburtshormonen, dass an Schlaf nicht zu denken war. Ich liess vor meinem Inneren Auge die Geburt noch einmal Revue passieren…es war einfach perfekt und es bestätigte dieses tiefe Gefühl, das ich während meiner Studienzeit gehabt hatte. Dieses Gefühl, dass Geburt einfach geschieht, sich entfaltet und wir nichts machen müssen ausser der Natur zu vertrauen und uns hinzugeben. Wie oft hatte ich mich gefragt, wozu diese häufigen Untersuchungen während der Geburt gemacht werden. Sie störten jeweils die Gebärende ganz in ihren Flow zu kommen. Aber es ist schwierig als Geburtsbegleiter einfach präsent zu sein, nichts zu machen und nur den Raum zu halten. Doch genau das wäre das Beste. Das wäre eine Geburtshilfe, die unsere Welt verändern würde. Ich wünsche mir von Herzen, dass ALLE Frauen wieder anfangen sich und ihrer weiblichen Urkraft und Intuition zu vertrauen und ihr Recht auf eine genussvolle Geburt einfordern. Denn es ist wichtig WIE unsere Kinder geboren werden! Auf die Liebe! Auf die Lust! Und auf eine neue Zeit mit vielen starken Kindern, die vertrauensvoll und tief verbunden diese Welt verändern werden!

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Beitragskommentare