Schwangerschaft

Zwischen der Geburt von Maël und Olivia lagen vier Jahre. In diesen vier Jahren habe ich mich intensiv mit schmerzfreier Geburt, Alleingeburt und ganzheitlicher Geburtsvorbereitung auseinandergesetzt. Ich habe in dieser Zeit auch die Ausbildung zur Ayurveda- Therapeutin gemacht und mich dort auf Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett spezialisiert. Somit war mein Wissensschatz gewachsen, und mein Horizont hatte sich erweitert.

Für mich kristallisierten sich drei Säulen der Geburtsvorbereitung heraus. Die erste Säule war der Körper, die zweite der Geist und die dritte das Unterbewusstsein. Ich spürte, dass ich mich auf allen drei Ebenen auf die Geburt vorbereiten sollte. Meinen Körper bereitete ich vor, in dem ich mich gesund ernährte, draussen in der Natur spazierte und mit Yoga mich dehnte und entspannte. Ich nutzte auch spezielle Geburtsvorbereitende Methoden aus der ayurvedischen Medizin wie zum Beispiel die Öltampons. Diese in speziellem Öl getränkten Tampons bereiten den Geburtskanal optimal auf die Geburt vor und machen ihn dehnbar und geschmeidig.

Von meiner ersten Schwangerschaft wusste ich, dass ich durch Meditation mit meinem Unterbewusstsein in Kontakt treten konnte. Ich nutzte das, um mir hinderlicher Glaubenssätze in Bezug auf die bevorstehende Geburt bewusst zu werden und diese zu transformieren. Dasselbe machte ich mit bestimmten Themen, die mich in diesen Bereichen noch triggerten.  Um meinen Geist noch besser fokussieren zu können, machte ich einfache Atemübungen, die ich aus dem Yoga kennengelernt hatte. Ich war mir nämlich sicher, dass das ein wichtiges Schlüsselelement für eine schmerzfreie und genussvolle Geburt war.

Die letzten Wochen…

Vier Wochen vor dem errechneten Termin hatte ich die Abschlussprüfungen meiner Ayurveda-Ausbildung, danach konnte ich endlich loslassen und entspannen. Wie bereits bei meiner ersten Geburt hatte ich immer wieder Senkwehen, die ich aber nur durch das regelmässige Hartwerden meines Bauches bemerkte. Da die erste Geburt vier Jahre her war, war ich mir nie sicher, ob es nun Geburtswehen sind oder nicht. So kam es, dass ich zweimal unsere Hebamme gerufen hab, die Wehen dann aber nach einiger Zeit wieder aufhörten, und sich alles beruhigte. Diese Umstände stressten mich total. Ich hatte das Gefühl, dass ich doch wissen müsste, wann es wirklich Geburt ist und wann nicht. Ich bekam richtig schlechte Laune, hatte die Schnauze voll und es war noch nicht einmal ET.

Am 17.08. ging ich am Nachmittag mit Freundinnen, Kindern und Hunden spazieren. Wir hatten ein gutes Tempo, da die Kids alle auf Laufrädern waren, und ich spürte, wie es in meinem Bauch ab und an zog. Ich sagte jedoch niemandem etwas, da ich mir dieses Mal sicher sein wollte, dass es kein Fehlalarm ist. Später beim Abendessen war wieder alles ruhig. Und so liess ich meinen Mann beruhigt zu einem geschäftlichen Termin, den er wahrnehmen musste. Ich brachte unsere Grosse ins Bett und schaute mir zur Ablenkung einen kitschigen Film an. Während des Films zog es immer mal wieder in meinem Bauch, ich schenkte dem aber wenig Beachtung, und so gegen 22 Uhr ging ich ins Bett. Ich schlief trotz des Ziehens ein.

Geburt

Gegen Mitternacht kam mein Mann nach Hause und legte sich zu mir ins Bett. Ich sagte ihm, dass es wohl bald losgehen wird, er aber noch ruhig ein wenig schlafen soll. Für mich war das Schlafen beendet und ich ging ins Wohnzimmer. Dort zündete ich Kerzen an, machte leise Musik und legte mich mit dem Oberkörper über den Pezziball. So liess ich die Wehen kommen und gehen. Sie waren sehr angenehm, ich hatte aber mit meiner miesen Laune zu kämpfen, da ich befürchtete, dass es wieder nur Vorwehen sind und die mich um meinen Schlaf bringen.

Um 01:30 Uhr waren sie dann doch regelmässig, und ich bat meinen Mann den Pool zu befüllen. Zwischenzeitlich rief ich meine Hebamme an und sagte ihr, dass ich das Gefühl habe, dass es nun losgeht. Sie fragte mich, ob sie noch Sandwiches machen kann für den nächsten Tag. Ich meinte :»Na klar, lass dir ruhig Zeit.» Mein Mann legte sich aufs Sofa und schlief weiter. Gegen 2 Uhr stieg ich in den Pool. Oh, was für eine Wohltat dieses warme Wasser. Ich schloss meine Augen und genoss die Wehen, die wie Wellen kamen und gingen. Ich genoss dieses Alleinsein. Nur ich und mein Baby und die Dunkelheit. Die Wehen wurden intensiver von der Energie her und ich begann mitzutönen. Dieses tiefe Tönen tat mir bereits bei meiner ersten Geburt unglaublich gut. Der Ton half mir die Energie der Wehen zu kanalisieren und sie nach unten zu lenken. Gleichzeitig hielt es meinen Geist fokussiert im Jetzt.

Es war wohl so gegen 02:45 Uhr als ich meinem Mann sagte, er soll bitte zu mir kommen, ich brauche ihn jetzt. Er kam und ich umfasste seine Hände übers Kreuz. Bei der nächsten Wehe spürte ich wie sich unser Baby in den Geburtskanal begab. Ich sagte nur: «Das Baby kommt!» Einen kurzen Moment kam da Panik, da unsere Hebamme noch nicht bei uns war. Ich spürte, wie ich mich anspannte und wie das Ziehen der Wehe unangenehm wurde. Da erinnerte ich mich sofort daran, was I.M.Gaskin in ihrem Buch immer betont hatte:» Wenn dein Mund locker ist, dann ist auch dein Muttermund (dein Geburtskanal) locker und entspannt.» Also sagte ich zu meinem Mann: »Du musst mich küssen, jetzt!» Er gab mir einen zaghaften Kuss und ich: «Nein, weisst du, so richtig!» Also zog ich ihn zu mir hin und knutschte ihn so richtig intensiv…so als hätten wir gerade wilden Sex. Und es half. Ich konnte mich entspannen und die nächste Welle wieder geniessen. (Das war der Moment, bei dem ich im Nachhinein realisierte, wie sich Wehen wohl ansatzweise anfühlen müssen, wenn ich nicht entspannt wäre. Mir wurde klar, dass ich es in der Hand habe, worauf ich meinen Fokus lege. Ob ich im Vertrauen bin und mich hingebe, oder, ob ich in der Angst bin, mich verkrampfe und dadurch Schmerzen habe.)

1, 2, 3…

Im nächsten Moment überkam mich diese Urgewalt von Pressdrang. Eine Presswehe, die Fruchtblase platze und unser Baby flutschte durch den Geburtskanal. Da klingelte es an der Türe und die Hebamme war da. Mein Mann sprintete zur Tür, öffnete, und kam zurück. Genau im richtigen Moment, denn die zweite Presswehe kam angerollt, und der Kopf war geboren. Jetzt trat unsere Hebamme zu uns in die Stube, lächelte mich an, und da kam auch schon die dritte Presswehe, und unser kleines Mädchen war geboren. Sie schwamm direkt in meine Arme. Ich liess sie noch ein paar Sekunden unter Wasser und dann nahm ich sie hoch zu mir. Sie schrie gleich los und wurde rosig. Wir bekamen ein warmes Tuch und kuschelten erst einmal im Pool. Sie war so zierlich und perfekt. Mein Mann weckte die grosse Schwester und sie kamen zu uns. Gemeinsam betrachteten wir dieses kleine Wunder. Olivia Sophie wurde am 18.08.2015 mit 3000gr und 50 cm um 03H00 Uhr geboren. Ihre Nabelschnur war ganz dünn und unglaublich lang, sie hatte sie sogar zweimal um den Hals gewickelt. Nachdem die Plazenta ca.15min später geboren war, nabelten mein Mann und die grosse Schwester ab. Dieser Moment hatte so etwas magisches, das bis heute besteht…eine Verbindung zwischen den zwei Mädels, die unglaublich stark ist. Von dem Moment an war Olivia das Ein und Alle von Maël, keine Spur von Eifersucht, keine Streitereien…einfach nur Schwesternliebe.

Ich war überglücklich mit dem Verlauf dieser Geburt, hatte ich mir doch insgeheim eine Alleingeburt gewünscht. Es bekräftigte mich ein weiteres Mal in meinem tiefen Gefühl, dass wir Frauen für genussvolles, selbst bestimmtes Gebären gemacht sind und unserer Körperin vertrauen dürfen.

 

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